„Wir werden an unserer Grundausrichtung festhalten“

 

Der deutsche Finanzmarkt wird derzeit von zwei Kriterien nachhaltig beeinflusst. Da ist zum einen das Niedrigzinsumfeld mit gegenwärtig unabsehbaren Folgen für Sparer, Anleger und Banken. Zum anderen nehmen zahlreiche neu eingeführte Regulierungsmaßnahmen Einfluss auf den Geschäftsbetrieb mit dem Ziel, das Risiko einer erneuten Finanzkrise in Zukunft zu minimieren. Die Bundesbank sieht deshalb alle deutschen Banken unter doppeltem Zugzwang. So mahnen die Währungshüter nicht nur zur Prüfung sämtlicher Geschäftsmodelle, sondern auch - und das ist bemerkenswert - zu einer deutlichen Ausdünnung ihres Filialnetzes. Doch welche weitreichenden Folgen ergeben sich daraus für regionale Genossenschaftsbanken? Ein Gespräch mit Vorstandsmitglied Ilka Osterwald über explodierende Regularien, Bündelung der Kompetenzen und vielversprechende Innovationen.



Primanote: Die verschärften Vorschriften und Regulierungen sollen dem Schutz der Kunden dienen und verhindern, dass sich die Ereignisse aus der letzten Finanzmarktkrise nicht wiederholen. Das klingt prinzipiell sinnvoll. Worin liegt also das Problem?


Osterwald: In Bezug auf Großbanken, die sogenannten „Global Player“, ist das sicherlich auch richtig. Doch man muss bedenken, dass regionale mittelständige Banken Produkte wie die der Global-Player, also hochgradig risikobehaftete Positionen, gar nicht in ihrem Portfolio aufweisen. Die Volksbank im Wesertal z.B. ist im Handel mit hochspekulativen Finanzprodukten nie involviert gewesen und wird es auch künfig nicht sein. Das heißt, für uns bedeuten die stetig wachsenden regulatorischen Anforderungen vor allem eins: Zusätzliche Kosten ohne irgendeinen sicherheitsrelevanten Vorteil.


Primanote: Kommen wir zur zweiten Herausforderung - der Umgang mit den Niedrigzinsen.


Osterwald: Ein ganz wesentlicher Anteil der Einnahmen von Regionalbanken stammt ja aus den Zinseinnahmen. D.h. es handelt sich um Einnahmen aus dem Kundenkreditgeschäft und den Anlagen auf dem Geld- und Kapitalmarkt. Die Problematik basiert ganz einfach auf der Tatsache, dass mit den klassischen, risikoarmen Geldanlagen von Volksbanken kaum noch Zinserträge zu generieren sind.


Primanote: Und das bedeutet?


Osterwald: Es bedeutet, dass die regional agierenden Banken, deren einfaches und transparentes Geschäftsmodell sich insbesondere während der Finanz- und Wirtschaftskrise bewährt hat, zunehmend unter einen Kosten- und Ertragsdruck geraten. Um eine Steigerung dieser Erträge zu erzielen, müssten wir theoretisch hohe Risiken in Kauf nehmen, was aber nicht unserem Geschäftsmodell entspricht. Deshalb sind nun Mittel und Wege zu finden, wie durch ein nachhaltiges und verantwortungsvolles Wirtschaften die Kostenstrukturen langfristig optimiert werden können.


Primanote: Als weitere Herausforderung wird in letzter Zeit oft auch die rasante digitale Entwicklung genannt. Spielt sie eigentlich bei der Reduzierung von Kosten ebenfalls eine Rolle?


Osterwald: Technisch und organisatorisch betrachtet stellt die Digitalisierung eine große Herausforderung für uns Banken dar, bietet aber zeitgleich auch erhebliche Chancen. Da beispielsweise die Bargeldversorgung aufgrund unzähliger Vorschriften und Auflagen  zunehmend eine kostenintensive und logistische Aufgabe darstellt, sind mittel- und langfristig betrachtet durch die Digitalisierung von Bankgeschäften nachhaltige Kostensenkungen möglich.


Primanote: Ist das steigende Angebot von digitalen Leistungen auf Veränderungen im Kundenverhalten zurückzuführen oder soll dadurch langfristig nicht auch Personal eingespart werden?


Osterwald: Die Digitalisierung im Bankensektor ist ja nicht gleichzusetzen mit einer Industrialisierung, in der Maschinen zunehmend die Arbeitskraft der Menschen ersetzen. Wir erkennen vielmehr, dass sich der Aufgabenschwerpunkt der Bankmitarbeiter verlagert. Aufgrund einer steigenden Nachfrage im Bereich des Online-Bankings geht z.B. die Nachfrage nach reinen Serviceleistungen zurück. Gleichzeitig beobachten wir, dass der Bedarf an einer kompetenten und ganzheitlichen Beratung zunimmt.


Primanote: Der Trend zum anonymen Onlinebanking ist unaufhaltsam, doch es gibt noch immer zahlreiche Menschen, die ihr Vertrauen lieber in Bankmitarbeiter setzen, die sie seit Jahren verlässlich betreuen. Müssen diese Kunden bald auf ihren vertrauten Ansprechpartner in der Filiale verzichten?


Osterwald: Wir wollen natürlich den Erwartungen all unserer Kunden gerecht werden. Mein Kollege, Norbert Gellert, und ich haben uns deshalb auf die Fahnen geschrieben, dass es bei uns auch in Zukunft immer einen persönlichen Service geben wird. Dazu ist es aber notwendig, unsere Kompetenzen stärker zu bündeln und nicht weiterhin kostenintensiv in der Fläche aufrecht zu erhalten.


Primanote: Welche Konsequenz hat dies für das Geschäftsgebiet?

Osterwald: Um unseren Mitgliedern und Kunden - egal welchen Alters - die Abwicklung ihrer Bankgeschäfte zu erleichtern, haben wir eine volksbankinterne Telefonfiliale geschaffen, das  sogenannte Kundenservice-Center. Hier werden selbstverständlich nur langjährige Mitarbeiter der Volksbank eingesetzt, die sämtliche Serviceleistungen einer personalbesetzten Filiale anbieten.


Primanote: Wie sieht denn, abgesehen vom Aufbau eines Kundenservice-Centers, Ihr weiteres Konzept für eine erfolgreiche Ausrichtung der Volksbank aus?


Osterwald: Wir werden vor allem Veränderungen in der Filialstruktur vornehmen. Ziel ist es, an unserer Grundausrichtung weiter festzuhalten, die Fachkompetenzen jedoch stärker zu zentralisieren, und zwar in den drei sogenannten Kompetenzzentren in Coppenbrügge, Aerzen und in Salzhemmendorf. Hier handelt es sich um Geschäftsstellen, in denen unseren Mitgliedern und Kunden der volle Leistungsumfang zur Verfügung steht.


Primanote: Was passiert mit den anderen Filialen?


Osterwald: Die weiteren Standorte verstehen sich sozusagen als Satelliten der Kompetenzzentren. D.h. sie werden vom jeweils zuständigen Kompetenz-Team betreut, bieten aber nicht das komplette Portfolio an Leistungen, sondern vorrangig Service-Dienste  an. Gerade bei den kleinen Standorten werden wir allerdings auch Einsparungen vornehmen. Die Geschäftsstellen Groß Hilligsfeld und Halvestorf werden wir zum 01.01.2016 schließen. An den Standorten Lauenstein und Wallensen stehen den Kunden weiterhin SB-Services zur Verfügung, wobei wir die Perspektive auch dieser beiden SB-Standorte im nächsten Jahr noch prüfen werden. Die Filialen Groß Berkel, Hemeringen, Bisperode und Oldendorf bleiben unverändert bestehen. Hier treten lediglich neue, reduzierte Öffnungszeiten in Kraft. Natürlich besteht auch in diesen Filialen weiterhin die Möglichkeit einer Beratung. Wichtig ist jedoch, dass diese vorher über das Kundenservice-Center vereinbart wird.


Primanote: Bezieht sich das Zukunftskonzept also ausschließlich auf die Neustrukturierung des Geschäftsgebietes?

Osterwald: Nein, mein Kollege beschäftigt sich z.B. derzeit intensiv mit dem Ausbau für das Angebot von digitalen Bankdienstleistungen. Zu nennen ist hier u.a. die Einführung von „paydirekt“,  einem Dienst, der es dem Kunden in Zukunft ermöglichen wird, die Bezahlung von Interneteinkäufen komfortabel über die genossenschaftliche Finanzgruppe abzuwickeln. Herausstellen möchte ich aber einen ganz anderen, wesentlichen Meilenstein: Die Fertigstellung des neuen Kompetenzzentrums in Salzhemmendorf im Herbst 2016. Hier entwickeln wir gerade eine innovativ-moderne Filiale mit einem allumfassenden Leistungsangebot. Premiere in Salzhemmendorf wird dabei auch ein Drive-in-Geldautomat haben, wie er so bislang erst an wenigen Standorten in Deutschland existiert.


Primanote: Die Idee eines praktischen Geldautomaten ausschließlich für Autofahrer dürfte nicht neu sein. Warum findet die Umsetzung erst jetzt statt?


Osterwald: Die Idee ist tatsächlich simpel, aber komplex und aufwändig umzusetzen, weil zahlreiche sicherheitsrelevante Aspekte bedacht sein müssen. Wir probieren es jetzt als erste Bank in unserer Region aus und werden anschließend prüfen, ob evt. noch ein weiterer Standort in Groß Hilligsfeld, an der B 217, in Frage kommt.

 
Primanote: Insgesamt nimmt die Volksbank durch diese umfangreichen Maßnahmen eine neue Gestalt an, für die auch alte Zöpfe abgeschnitten werden. Besteht in Zukunft aufgrund weiter sich verändernder Rahmenbedingungen die Gefahr, dass das Regionalprinzip der klassischen Genossenschaftsbank einmal weniger Priorität haben könnte?


Osterwald: Mein Kollege Gellert und ich nehmen durch diese Veränderungen vor allem eine Weichenstellung vor, die sich auf die zukunftsweisende Entwicklung der Volksbank positiv auswirken wird. Es geht dabei keinesfalls um Gewinnmaximierung - dies wird nie Bestandteil unserer Geschäftsphilosophie werden. Aber auch wir als Volksbank sind nicht nur unseren Kunden und Mitgliedern, sondern auch unseren Mitarbeitern gegenüber verpflichtet, ein wirtschaftliches Ergebnis zu erzielen um in Zukunft weiterhin aus einer Position der Stärke agieren zu können.


Primanote: Ich danke Ihnen für das Gespräch.

Das Interview führte Alexandra Weigl